Ein Tunnelsystem unter dem Schlossberg
Graz, die steirische Hauptstadt, hat viele Gesichter – und eines der faszinierendsten ist unter der Erde verborgen. Der Schlossbergtunnel Graz und ein weitverzweigtes Stollensystem unter dem Schlossberg, erzählt eine Geschichte von Krieg, Schutz, Technik und Kultur. Dieser Tunnel ist nicht nur ein Relikt aus der Vergangenheit, sondern auch ein lebendiger Teil der Stadt, der uns auf eine spannende Zeitreise mitnimmt. Teile der ehemaligen Stollen können auch heute noch besucht werden. Mehr dazu erfährst du weiter unten.
Die Entstehung des Stollensystems: Ein Kriegsprojekt
Im Zweiten Weltkrieg, als die Bombenangriffe auf Graz und viele andere Städte zugenommen hatten, begann man mit dem Bau eines groß angelegten Luftschutzsystems im Schlossberg. Bereits 1938 wurden erste Pläne für ein Stollensystem unter dem Schlossberg entwicket. Schon bereits vor dem Jahr 1938 waren schon einige kleinere Stollen und Grabungen im Schlossberg angelegt worden. Jedoch wurde erst im Sommer 1943 mit dem Bau der Stollen begonnen, nachdem im Verlauf des Kreiges auch Graz immer mehr ins Ziel der Alliierten geriet. Daher sah die Wehrmacht die Notwendigkeit eines großen Luftschutzbunkers, sowohl für die Zivilbevölkerung bei Luftangriffen, als auch für die Kommandozentrale der Wehrmacht, die unter dem Schlossberg gut geschützt wäre. Wehrmachtsoldaten und einheimische Bauarbeiter, aber auch viele Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene arbeiteten ab 1943 unter extremen Bedingungen an der Errichtung dieses Stollensystems, darunter auch der heutige Schlossbertunnel Graz.
Bei der Errichtung der Stollen stieß man auch auf natürliche Höhlen und Stollensysteme im Schlossberg, die Teil des Luftschutzbunkers wurden. Auch eine Tropfsteinhöhle wurde dabei entdeckt. So entstand ein Netzwerk aus über 6,3 Kilometern Stollen und 20 Eingängen, das Platz für bis zu 50.000 Menschen bieten konnte. Die einzelnen in den Berg getriebenen Stollen und Eingänge die alle, bis auf einen, untereinander verbunden waren, wurden mit Buchstaben von A bis X bezeichnet. Jedoch wurden nicht alle Eingänge vollständig fertiggestellt und nicht alle Buchstaben vergeben. Die Gesamtgröße der ganzen Anlage unter dem Schlossberg belief sich auf 12.000-17.000 Quadratmeter und circa 70.000 Kubikmeter Luftraum.
Neben den Luftschutzräumen gab es auch Bereiche für Sanitätsstationen, Entgiftungsstellen und sogar einen eigenen Wasserbehälter. Der Tunnel diente als Zufluchtsort, Lazarett, aber auch als Kommandozentrale der Wehrmacht, die von hier aus die Luftangriffe überwachen konnte. Einige Teile der Stollen, wie der Bereich unter dem Uhrturm, sind heute noch zugänglich und bieten einen einzigartigen Blick auf die Dimensionen der damaligen Luftschutzanlagen.
Die Stollen nach dem Krieg
Bereits während des Baus der Stollen war vor dem bröckeligem Gestein des Schlossberges gewarnt worden, weshalb auch viele Gänge aufwändig gesichert und abgestützt werden mussten. In den 1950er Jahren kam es immer wieder zu Bedenken bezüglich der Stabilität, als die Grazer immer wieder ein seltsames Knirschen aus dem Berg hörten. Auch wiesen einige Gebäude auf und am Schlossberg Risse auf, die auf absinkenden Boden zurückzuführen waren. Kleinere Einbrüche des Bodens waren an manchen Stellen ebenfalls zu beobachten.
Bis in die 1960er kam es an mehreren Stellen in den Tunneln zu Firsteinbrüchen, die etwa 800 Meter des Stollensystems und 6 individuelle Tunnel verschütteten.
Die Stollen unter dem Schlossberg heute
Heute hat ein Teil des Tunnelsystems eine neue Bestimmung gefunden und wird kulturell oder als Fußweg genutzt. Alle heute zugänglichen Teile der Tunnel wurden ausgiebig saniert und abgesichert. Viele der alten Eingänge in die Tunnel kann man heute noch von außen sehen. Sie befinden sich überall um und auf dem Schlossberg, die meisten sind aber verschlossen.
Der Schlossbergstollen
Einer der längsten Tunnel wird als Fußgängerpassage genutzt, der sogenannte „Schlossbergstollen“ oder auch „Schlossbertunnel“ führt vom Schlossbergplatz bis zum „Fuße des Schlossbergs“ oberhalb des Karmeliterplatzes. Diese Passage ist ein praktischer, aber auch faszinierender Weg durch die Geschichte der Stadt.
Dom im Berg
Einer der bekanntesten Bereiche ist der „Dom im Berg“, ein imposanter Veranstaltungsraum, der durch den Ausbau eines der Tunnel entstanden ist. Hier finden regelmäßig Konzerte, Theateraufführungen und andere kulturelle Events statt – ein wahrhaft ungewöhnlicher Ort für kulturelle Erlebnisse.
Schlossberglift
Der Schlossbergtunnel spielt auch eine wichtige Rolle für den modernen Schlossberglift, der vom Schlossbergplatz aus durch den Berg direkt zum Gipfel des Schlossbergs führt. Zwei vertikale Lifte in einem neuen Schacht ermöglichen es Besuchern, schnell und bequem hinaufzufahren.
Märchenbahn
Im Tunnel unter dem Berg schlängelt sich zudem die Grazer Märchenbahn, eine verwunschene Fahrt, die vor allem bei Kindern sehr beliebt ist. Die Märchenbahn war das erste Projekt, das die Tunnel für andere Zwecke nutzte.
Montan- und Werkbahnmuseum
Ein Teil der alten Tunnel wird als Montan- und Werkbahnmuseum genutzt, in dem unter anderem alte Lokomotiven und Bergbaugeräte ausgestellt sind. Leider ist das Museum nicht für die Öffentlichkeit zugänglich und damit auch nicht zu besichtigen.
Der Schlossbergtunnel Graz
Anlässlich des Kulturhauptstadtjahres 2003 wurde beschlossen, einen der früheren Hauptsollen zu sanieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dieser Stollen ist heute der Schlossbergtunnel Graz und führt vom Schlossbergplatz zum „Fuße des Schlossbergs“ oberhalb des Karmeliterplatzes. Der Schlossbergtunnel verläuft ziemlch genau unterhalb des Uhrturms und trug früher die Bezeichnung „J-Stollen“ vom Schlossbergplatz, bwziehungsweise „U-Stollen“ vom Fuße des Schlossbergs. Tatsächlich war das Teilstück des Stollens vom Schlossbergplatz aus schon wieder seit 1997 zugänglich, da damals der Dom im Berg angelegt wurde und ein Zugang nötig war. Damals war der Stollen allerdings nur für den Besuch des „Doms“ zugänglich und nicht jederzeit geöffnet. Der Schlossbertunnel war damals einer der Haupttunnel unter dem Schlossberg, der viele andere Stollen miteinander verband. Heute ist er mit Spritzbeton abgesichert und zum Teil auch mit Stahl verstärkt.
Durch den Schlossbergtunnel Graz geht es vom tiefer gelegenen Schlossbergplatz einige Stufen nach oben und dann leicht ansteigend durch den Schlossberg nach oben. Der Boden ist durchgängig mit Metallgittern ausgelegt und von unten und von der Seite beleuchtet. Dadurch gelangt man sicher durch den Schlossbergtunnel hindurch. Dieser ist insgesamt 175 Meter lang und hat eine Steigung von etwa 16% auf.
Preise und Öffnungszeiten
Für die Begehung des Schlossbergtunnels fallen keine Gebühren an. Der Schlossbergstollen ist ein öffentlicher Weg und kostenlos nutzbar. Der Dom im Berg ist nur für besondere Veranstaltungen geöffnet und kann ansonsten nicht besucht werden. Für die Fahrt mit der Märchenbahn und für die Benutzung des Schlossberglifts fallen jeweils Kosten an.
In der Regel ist der Schlossbergtunnel Graz durchwegs geöffnet und hat keine gesonderten Öffnungszeiten. Jedoch befinden sich an beiden Eingängen Tore, die bei Bedarf geschlossen werden können. Daher es vorkommen, dass der Schlossbergtunnel unvorhergesehen geschlossen ist. Wie oben schon geschildert ist der Dom im Berg nur für Veranstaltungen geöffnet und ansonsten geschlossen. Die Märchenbahn und der Schlossberglift haben eigene Öffnungszeiten.
Wo befindet sich der Schlossbergtunnel Graz?
Die beiden Eingänge des Schlossbergtunnels liegen beide am Rande der Grazer Altstadt und sind in wenigen Gehminuten von der Altstadt aus erreichbar. Nahe der Mur befindet sich der Schlossbergplatz, an dessen Ende der tiefere Eingang des Schlossbergstollen aus dem Schlossberg herauskommt. Der zweite Eingang liegt ca. 30 Meter höher am „Fuße des Schlossbergs“. Dieser ist wenige Meter vom Karmeliterplatz entfernt.
Fazit: Geschichte zum Erleben
Der Schlossbergtunnel ist weit mehr als nur ein Relikt der Vergangenheit. Er ist ein lebendiger Teil von Graz, der uns sowohl an die schweren Zeiten des Zweiten Weltkriegs als auch an die kreative Nutzung historischer Räume erinnert. Ob du nun den Schlossberglift nimmst, die Grazer Märchenbahn fährst oder einfach durch den Tunnel spazieren gehst – dieser Ort hat eine besondere Magie, die Geschichte und Gegenwart miteinander verbindet.